22.04.2015

Essstörungen als Folge von Bakterien in der Darmflora

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Essstörungen sollen die Folge von Bakterien in der Darmflora sein.

Diese Untersuchungsergebnisse haben französische Forscher nun in einem Artikel des Fachblatts „Translational Psychiatry” veröffentlicht. Demnach produzieren Darmkeime Proteine, die das Immunsystem dazu anregen, spezielle Antikörper zu bilden. Letztere reagieren aber auch mit einem das den Sättigungseffekt regulierenden Hormon. Die chemische Ähnlichkeit von Protein und Hormon soll, so die Annahme, zur Folge haben, dass sogenannte Auto-Antikörper gebildet werden, die wiederum das Ausmaß der Nahrungsaufnahme steuert.

„Diese Ergebnisse klingen insbesondere für Betroffene und ihre Angehörigen verlockend. Denn damit hätten Eltern von essgestörten Jugendlichen endlich eine Erklärung  für das Verhalten ihres Kindes. Hinzu käme, dass niemand die Verantwortung für die Essstörung bei sich selbst suchen müsste, sondern einfach auf die »bösen« Antikörper verweisen könnte“ so Psychotherapeutin Sabine Frömel, die eine auf die Behandlung von Mädchen im Alter von 14 bis 21 Jahren mit Borderline, Essstörungen und Traumata spezialisierte Praxis führt. „Ob diese verblüffend einfache Antwort der Medizinforschung aber wirklich die richtige ist, bleibt abzuwarten. Denn in medizinischer Hinsicht ist festzustellen, dass die Versuche bisher erst an Mäusen durchgeführt wurden. Der menschliche Organismus ist hingegen noch einmal deutlich komplexer.

Hinzu kommt, dass Essstörungen – seien es Anorexia nervosa (Magersucht), Bulimia nervosa (Ess-Brech-Sucht) und Binge-Eating – aus psychoanalytischer Sicht oftmals nur ein Symptom einer dahinter stehenden, oftmals sogar noch gravierender Störung darstellen. „Dies bedeutet, dass es nicht getan ist, dass Symptom zu bekämpfen, weil hierdurch der Betroffene psychisch nur oberflächlich gesünder wird“, erläutert die Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Sabine Frömel. „Selbst, wenn also der Patient durch eine entsprechende medizinische Behandlung hinsichtlich der Essstörung geheilt würde, stände zu befürchten, dass sich die psychische Störung dann eben eine anderen Weg sucht, um dem inneren Konflikt Ausdruck zu verleihen. In diesem Zusammenhang ist es ja auch kein Zufall, dass insbesondere essgestörte Mädchen regelmäßig vor ihrer Erkrankung ein belastendes Ereignis »erlebt« haben“

Aus psychotherapeutischer Sicht bleibt es somit dabei, dass Essstörungen oftmals Ergebnis einer psychischen Dynamik sind. Damit soll die Bedeutung der Untersuchungsergebnisse nicht geschmälert werden, zugleich aber darauf hingewiesen werden, dass ein schnell wirkendes Allerheilmittel wie oftmals nicht in Sicht sein dürfte.